Eiskalt und wunderbar klar ist der Frühlingsmorgen, an dem wir von Kratzeburg aus zu einer Wanderung um den Käbelicksee aufbrechen. Der eigentlich gar kein See ist, sondern eine von hunderten Ausbuchtungen der Havel, die wenige Kilometer nördlich des kleinen Dorfes mit den alten Backsteinhäusern ihren Ursprung hat. Später lese ich, dass der Wortstamm »Haf« Bucht oder Ausbuchtung bedeutet. Sehr passend für das blaue Gewässerband, das sich von der Mecklenburgischen Seenplatte durch Brandenburg und meine Heimatstadt Berlin bis zur Elbe zieht.
Kaum haben wir das noch schlafende Dorf hinter uns gelassen und auf einem Feldweg entlang weiter Wiesen den Wald erreicht beginne ich zu träumen. Hat der Wald schon vor hunderten von Jahren so ausgesehen? Mit weichem Gras unter knorrigen Kiefern, von der noch tief stehenden Sonne in ein verzaubertes, grünes Leuchten getaucht? Vermutlich eher nicht. Die durstigen Nadelbäume sind ein Relikt intensiver Forstwirtschaft der Vorwendezeit. Hier im Müritz Nationalpark dürfen sie heute jedoch ungestört wachsen wie sie wollen. Und wenn ihre Zeit gekommen ist, werden sie von der Natur langsam durch heimischen Mischwald ersetzt werden.
Der sandige Waldweg wellt sich in sanften Hügeln, hier und dort knackt es im Unterholz. Unsere Hunde wittern in alle Richtungen und würden allzu gern nachsehen, wer dort so lebt, was im Nationalpark selbstverständlich tabu ist. Es folgt ein Stück Offenlandschaft mit äsendem Rotwild und schon ist das Dorf Granzin erreicht. Am Tor eines einladenden Backsteinensembles prangt ein Schild: Töpferhof und Café, geöffnet Mai bis Oktober ab 9 Uhr. Es ist der 1. Mai, Schlag 9 Uhr. Ein Kaffee in diesem Ambiente ist genau das, was wir jetzt brauchen! Aber weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen. Also wandern wir weiter, erst einen Hügel hinauf in den Wald und schließlich auf einem schmalen Pfad am Seeufer entlang.
Die Rast unter Buchen im schönsten Frühlingskleid ist noch etwas frisch, aber dann kommen wir doch noch ins Schwitzen: Die letzte Etappe dieser wunderbar abwechslungsreichen Tour führt über einen von der Sonne aufgeheizten Hochrücken mit blühendem Trockenrasen. Wir genießen den Blick über Wiesen und Wälder und sind uns einig, dass dies nicht unsere letzte Tour entlang des buchtenreichen Flusses gewesen ist.
Gut zu wissen
Rundwanderweg Käbelicksee, Dorfstraße, 17237 Kratzeburg. Startpunkt: Die 14 km lange Tour ist mit einem schwarzen Greifvogel beschildert und führt entlang der Dorfstraße von Kratzeburg. Anreise: Bahnhof Kratzburg, Regionalexpress (Linie 5).
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