Gleich vorneweg: Ich bin wirklich kein Eisenbahn-Fan. Daher füge ich mich eher widerwillig dem Votum meiner Familie, die mich klar überstimmt und beschließt: Heute fahren wir mit dem Rasenden Roland. Und zwar die ganzen 24,1 Kilometer von Lauterbach Mole bis nach Göhren – das sind laut Fahrplan in den teilweise über 100 Jahre alten Wagen der von historischen Loks gezogenen Schmalspurbahn zwei Stunden und eine Minute. Ich seufze resigniert und richte mich auf Langeweile pur ein, während hinter mir zwei Eisenbahnfreunde begeistert fachsimpeln. Immerhin: Das Wetter ist gut, wir setzen uns also in den offenen »Cabrio-Wagen«, während vor uns die kleine Lok schon ungeduldig graue Rauchwolken ausstößt.
Dann geht es los – mit 30 Kilometern pro Stunde dampfen wir über saftige Felder auf die nächste Haltestelle Putbus zu. Hier wird unsere Lok kurz aufgetankt, fasziniert beobachten wir, wie der blaue Kran neue Kohlen über einen Trichter in das Innere der Lok bugsiert. Auch Wasser wird nachgefüllt – schließlich haben wir noch einen langen Weg vor uns. Der führt uns dann auch auf idyllischer Strecke an den Haltestellen Beuchow, Posewald und Seelvitz vorbei – auch in Serams hält unser Zug nicht. Und ich merke, dass ich begonnen habe, die geruhsame Fahrt durch die wunderschöne Landschaft zu genießen. Das Tempo ist angenehm, Autos müssen an den Straßen warten, wenn der Rasende Roland kommt. Und wann immer wir in eine Kurve gehen, bietet sich ein absolutes Postkartenmotiv: Die schwarzrote Lok pufft fröhlich Dampfwolken in den blauen Himmel.
In Binz herrscht reges Treiben, viele steigen hier aus oder zu. Der Blick auf das weiße, anmutige Bahnhofsgebäude versetzt mich für einen Moment um 120 Jahre zurück. Die Fantasie gaukelt elegante Damen mit Sonnenschirmen und Herren mit Hut und Spazierstock vor, die der Eröffnung dieses ältesten Streckenabschnitts zwischen Putbus und Binz 1895 beiwohnen. So richtig verliebe ich mich aber erst in den Rasenden Roland, als es anschließend durch den Wald geht. Die Dampfschwaden der kleinen Lok fangen sich in den Baumwipfeln, die Sonne wirft ihre Strahlen hindurch, ich staune über die märchenhafte Stimmung. Wie schnell doch zwei Stunden vergehen können! Ich habe die wechselvolle Landschaft Rügens entdeckt, fühle mich herrlich entschleunigt und steige schließlich ganz und gar ungern in Göhren aus.
Der Rasende Roland fährt von Putbus nach Göhren und zurück, an rund 100 Tagen im Jahr auch von Lauterbach-Mole. Fahrpläne für Haupt- und Nebensaison liegen überall aus, www.ruegensche-baederbahn.de. Das Kombi-Ticket »Wasser und Dampf« bietet eine Strecke mit dem Rasenden Roland, eine mit dem Schiff.
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