Wir, die auf Rügen leben und arbeiten, haben es täglich, das Meer. Könnten, wann immer wir wollen, den Horizont nach Schiffen absuchen, der Melodie der Wellen lauschen, Löcher in die salzige Luft schauen. Uns an heißen Tagen in die Ostseefluten werfen oder zumindest ins flache Gewässer der urigen Boddenbuchten. Machen wir aber nicht. Genauso wenig wie die Städter all ihre Kulturangebote oder Cafés täglich besuchen. Aber es gibt eine Zeit, da müssen wir zum Strand nach Palmer Ort fahren.
Die Insel ist im Ruhemodus. Die kleinen Häuschen sind geschmückt, in den Vorgärten erstrahlen Bäume im Lichterglanz. Ab November bis in den nahenden Frühling. Die Menschen machen es sich heimelig und erfreuen auch die Nachbarn, Vorbeifahrende und uns. Ein wenig wie in Watte gepackt erscheint die Insel dann. Touristen halten sich meist nur noch in den großen Badeorten auf, in einem Hotel mit Sauna. Es ist eisig kalt, der Bodden und die Ostsee sind zugefroren. Bestenfalls hat es die vergangenen Tage geschneit und die Insel ist nur noch zauberhaft, atemberaubend schön. Dann kommt ein lausiger Wind, ein wenig Tauwetter. Und schließlich beginnen sich am Zugang zwischen Ostsee und Greifswalder Bodden die losen Eisschollen durch den Sturm am Strand aufzuschichten. Ein seltenes Naturphänomen am Strand von Palmer Ort.
Wir beobachten dieses besondere Wetter und fetten schon mal die dicken Filzstiefel, der Glühwein wird gekocht und los geht es auf die Halbinsel Zudar. In Maltzien, Richtung Grabow, geht die Straße in einen Plattenweg über und nun ist die Autofahrt schon ein Erlebnis, weil plötzlich hunderte von Schaulustigen diesen Weg nehmen. Es gibt nur diesen einen und hat der Schneeflugfahrer kein Erbarmen und keine Überholbuchten freigeschoben, kommt man schon das erste Mal ins Schwitzen, denn eine Schneewehe ist hoch. Aber angekommen ist die Belohnung grandios. Wenn dazu noch die Sonne scheint und der Wind seine Arbeit getan hat, ist der Anblick der gestapelten Eisschollen am Strand pures Glück. In jedem Winter wünschen wir uns dieses Spektakel, selten wird uns dieser Wunsch erfüllt. Aber die Bilder vergangener Naturschauspiele erhalten die Vorfreude auf das nächste Mal.
Gut zu wissen
Der Palmer Ort ist der südlichste Punkt der Insel Rügen. Durch bestimmte Wettervoraussetzungen stapeln sich hier im Winter Eisschollen von mehreren Metern Höhe. Anreise: Bis Maltzien fährt der Bus 33, dann geht es nur zu Fuß weiter.
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