Als der Maler Lyonel Feininger im Mai 1908 das erste Mal auf die Insel Usedom kommt, hatte er gerade die Nase gestrichen voll vom touristisch neu entdeckten Glowe auf Rügen, wo er die letzten Sommer verbracht hatte. Er war auf der Suche nach einem neuen, ruhigeren Ort an der Ostsee und kommt ausgerechnet nach Heringsdorf, das zu dieser Zeit in voller Blüte stand. Kaiser-Wilhelm-Brücke, Pferderennbahn, Bismarckwarte, unzählige prachtvolle Villen, gebaut für die Sommerfrische der Aristokratie. Berlins herrschende Klasse zog sich zur warmen Jahreszeit an die Ostsee zurück.
Feininger notiert am 17. Mai 1908: »Der Tag, an dem wir zum ersten Mal nach Heringsdorf kamen und uns bei Zanders einmieteten.« Dazu skizzierte er ein angewinkeltes Bein, das gerade im Begriff war, den Fuß auf die Insel zu setzen.
Das Haus Zander, in dem der Maler auch den Sommer 1909 verbrachte, steht noch heute in der Delbrückstaße in Heringsdorf. Einst eine herrschaftliche Gründerzeitvilla hat es bis heute viel von seinem ursprünglichen Glanz verloren. Von hieraus unternahm Lyonel Feininger Ausflüge ins Hinterland der Insel, wohin er ab 1910 auch seine Sommeraufenthalte verlegte. Dort bewegte er sich ausschließlich mit dem Fahrrad. Feininger war leidenschaftlicher Radler und besaß immer ein Rennrad der neuesten Ausführung. Während seiner Zeit auf Usedom war es ein Modell der Marke Cleveland, mit Holzfelgen, aber schon luftbereift. Er kam auf etwa 10.000 Kilometer im Jahr. Viele davon fuhr er auf Usedom.
Während seiner Ausflüge entdeckte er die Facetten der Insel und hielt seine Eindrücke in unzähligen Naturskizzen fest, die später Grundlagen vieler berühmter Feininger-Gemälde waren. Zu seinen liebsten Motiven gehörte die Kirche von Benz, die er viele Male aus verschiedensten Perspektiven festhielt. Noch kurz vor seinem Tod 1956 malte er in New York ein Aquarell der Benzer Kirche.
Lyonel Feininger hinterließ der Insel in seinen Skizzen und Bildern ein wunderbares Zeitzeugnis, das Grundlage eines besonderen Radprojektes auf Usedom wurde. Man registrierte und katalogisierte über 1.300 Werke und verorte eine Vielzahl davon. Diejenigen Malorte, die zweifelsfrei identifiziert werden konnten, wurden in einer Radtour zusammengefasst. Die Lyonel-Feininger-Radtour auf Usedom ist über 50 Kilometer lang und zeigt dem Interessierten die Stellen, an denen der Maler einst seinen Skizzenblock zückte.
Gut zu wissen
Die Tour führt auch durch Kamminke, einem kleinenen Ort nahe des Oder-Neiße-Radwegs direkt am Haff. Mit dem Buch zur Feininger-Tour oder der Papileo-App erfährt man Wissenswertes und kann die heutige Perspektive mit Feiningers ursprünglicher und auch mit seinen später daraus entstandenen Gemälden vergleichen: www.papileo.de
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